Die Lebenswege der beiden Männer waren bis dahin sehr unterschiedlich, aber beide kannten das Gefühl, dass mit ihnen «etwas nicht stimmt». Dazu zu stehen, schwul zu sein, und sich selbst zu akzeptieren, das brauchte Zeit.
Herbert Horatz stammt aus dem Bergischen Land und wuchs in einem katholischen Umfeld auf, in dem Sexualität einfach kein Thema sein sollte, Homosexualität schon gar nicht. In Frankfurt, wo er Medizin studierte, war das anders. Horatz schloss sich der Gruppe «Homosexuelle und Kirche» (HuK) an: «Es war schön zu sehen, dass die eigentlich ganz normal und mit sich selbst im Reinen sind.»
Auch für Harald Switalla war der Schritt in die Stadt wichtig. «Auf dem Land gab es für mich als schwuler Mann keine Zukunft», sagt er. Switalla hatte Großhandelskaufmann gelernt, schwenkte dann aber um und wurde Diakon und Erzieher in Hephata. In Kassel fand er Anschluss an eine Schwulengruppe und arbeitete unter anderem am «Rosa Telefon», einem anonymen Beratungsangebot für Homosexuelle. Und auch er fand seinen Weg zur HuK.
Gemeinsam stark – trotz Widerständen in Kirche und Gesellschaft
Switalla ist 76, Horatz 67 Jahre alt. Sie haben erlebt, wie sich das gesellschaftliche Klima in Deutschland verändert hat. Lange stellte der §175 im Strafgesetzbuch Sex zwischen Männern unter Strafe. 1969 wurde er entschärft, aber erst 1994 gestrichen. Switalla erinnert sich an die 1980er-Jahre, als die Immunkrankheit AIDS auftauchte und viele Leute geglaubt hätten: «Das haben uns die Schwulen gebracht.» Es war eine Zeit, in der viele ihre Homosexualität verbargen. Horatz sagt zu dieser Stimmung: «Die Kirchen sind nicht unbeteiligt gewesen, dass die Haltung so war.»
Und doch sind beide ihrer jeweiligen Kirche treu geblieben und haben dort für die Sache von Schwulen und Lesben gekämpft. Das sei nicht immer einfach gewesen. So habe die Küsterin, als sie kirchlich gesegnet wurden, ihre Mitwirkung am Gottesdienst verweigert.
Der Glaube und die Gemeinschaft der Gläubigen gäben ihm Kraft für sein Engagement, sagt Harald Switalla. Er habe erlebt, wie ein Chef in einer diakonischen Einrichtung versuchte, ihn wegen seiner Homosexualität loszuwerden. Am Ende musste der Chef gehen und Switalla sagt: «Ohne meinen Glauben hätte ich das nicht durchgehalten.» Herbert Horatz erinnert sich an die Zeit, als er hoffte, Gott werde ihn aus seiner Not, aus dem Schwulsein, befreien. Heute sagt er: «Gott hat jeden so gewollt, wie er ist.»
Wenn man Harald Switalla und Herbert Horatz in ihrer Wohnung in Pfungstadt begegnet (eine Mietwohnung fanden sie damals nicht, weil man nicht an zwei Männer vermieten wollte), trifft man auf zwei höfliche Menschen, die Gelassenheit ausstrahlen und längst nicht mehr glauben, mit ihnen stimme etwas nicht.
Nach 35 Jahren müssten sie doch das Rezept für die Liebe gefunden haben? «Liebe ist für mich Achtsamkeit und Respekt sich selbst und anderen gegenüber», sagt Switalla. Auch Dankbarkeit dem Partner und dem Schöpfer gegenüber sei wichtig.
Horatz spricht vom «gut gelingenden Alltag» einer Beziehung, in der jeder auch eigene Interessen verfolge. Und auch vom Respekt, schließlich habe jeder seine Macken. Dann sagt er zu seinem Mann: «Du hast ja mehr Macken als ich.» Humor gehört offenbar auch dazu.
Kirchlich heiraten
In der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck können sich gleichgeschlechtliche Paare seit 2011 segnen lassen. Seit 2013 gibt es dazu auch eine Agende, in der der liturgische Ablauf der Segensfeiern festgelegt ist. Nachdem im Jahr 2017 die standesamtliche «Ehe für alle» vom Bundestag ermöglicht wurde, zog die Landeskirche nach. Seit 2018 können gleichgeschlechtliche Paare auch kirchlich heiraten. In anderen Landeskirchen gelten teilweise andere Regelungen.

«Liebe ist alles!» als E-Paper
Die Weihnachtsausgabe des «blick in die kirche»-Magazins steht ganz im Zeichen der Liebe. Sänger und Schauspieler Vladimir Kornéev («Hundertdreizehn», «Polizeiruf 110») berichtet im Interview, wie Musik ihm half, das Stottern zu überwinden, was Liebe für ihn bedeutet und wie er den Verlust einer großen Liebe bewältigte. Das Heft stellt junge und alte, hetero- und homosexuelle Paare vor, erzählt von der Liebe zum Handwerk und blickt nach Indien. Es geht um die Rettung von 1.000 Jesidinnen und Jesiden aus dem Irak.
Und natürlich dreht sich das Heft um Weihnachten: Wie ist das in einem Gefängnis? Wie, wenn man alleine feiern will oder muss? Warum ist es trotz allem Streit schön, wenn die Familie sich an Weihnachten trifft? Und was steht noch einmal genau in der Bibel? Wie immer gibt es auch einen Hotelaufenthalt zu gewinnen – diesmal in Hanau inklusive Karten für die Brüder Grimm Festspiele.
Das «blick in die kirche-Magazin» ist die Publikumszeitschrift der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und liegt viermal im Jahr den Tageszeitungen auf dem Gebiet der Landeskirche kostenfrei bei. Die Druckauflage beträgt knapp 225.000 Exemplare, hinzu kommen E-Paper und Webseite.
