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Unser Foto zeigt (von links): EKKW-Vizepräsidentin Dr. Katharina Apel, Präses Dr. Michael Schneider, Prälat Burkhard zur Nieden, Gastredner Frank Richter und Bischöfin Dr. Beate Hofmann.

Unser Foto zeigt (von links): EKKW-Vizepräsidentin Dr. Katharina Apel, Präses Dr. Michael Schneider, Prälat Burkhard zur Nieden, Gastredner Frank Richter und Bischöfin Dr. Beate Hofmann.

Homberg (Efze) / Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 05 Dez 2025

Mit dem Adventsempfang, zu dem mehr als 100 Gäste aus Kirche, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur gekommen waren, eröffnete die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) zugleich das Jubiläumsjahr «500 Jahre Reformation in Hessen». Prominenter Gastredner war Frank Richter, einer der wichtigsten Vertreter der DDR-Bürgerbewegung in Dresden und ehemaliger Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung.

Bundesweit bekannt wurde der spätere Landtagsabgeordnete als Vermittler und Moderator bei Protesten der «Pegida»-Demonstrationen. Trotz zahlreicher Baustellen sei die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik «nach wie vor die beste politische Ordnung, die Deutschland jemals hatte», stellte Richter seinen Überlegungen voran. Sie sei jedoch auf Akzeptanz und aktive Ausgestaltung der Gesellschaft angewiesen.

Signale der Enttäuschten und Frustrierten ernst nehmen

In seinem Vortrag unter dem Titel «Demokratie stärken – mit Demokratieverächtern reden» ordnete Richter die Einstellungen zur Demokratie auf einer Skala von «Demokratieverinnerlichung» bis «Demokratiezerstörung» ein und hob hervor, dass die absolute Ablehnung der Demokratie nur von einer kleinen, aber «lautstarken» Minderheit vertreten werde. «Bei allen Problemen und Anfechtungen: Die Idee der Demokratie ist nicht tot. Sie lebt», ist Richter überzeugt. Gleichwohl erlebe er nur selten, dass sich die von der Demokratie Überzeugten und Begeisterten zu Wort meldeten.

Richter appellierte, differenziert zu denken und zu reden, den Wert der Demokratie zu verinnerlichen und zu verteidigen sowie insbesondere die Signale der Enttäuschten und Frustrierten ernst zu nehmen und aktiv auf sie zuzugehen. Er warb für eine «Ethik des Hörens, des ehrlichen und geduldigen Verstehen-Wollens».

Für den Umgang mit Demokratieverächtern zeigte sich Richter skeptisch: Während im parlamentarischen Raum der Austausch unvermeidbar sei, bestehe in der Öffentlichkeit die Gefahr, für die Propaganda demokratieverachtender Parteien missbraucht zu werden. Er riet dazu, Demokratieverächtern nur so viel Aufmerksamkeit wie nötig zu schenken: «Wir dürfen uns von denen die eigene Agenda nicht zerstören lassen.»

Auch auf die Rolle der Kirchen ging Frank Richter – einst katholischer Priester – ein. Sie müssten sich nicht zu allem äußern, aber dann öffentlich positionieren, wenn es um Menschenwürde, Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung und den Schutz der Schwachen und von Minderheiten gehe. Er führte vor Augen, dass der demokratische Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht garantieren könne: von Menschen, die sich für Freiheit, Solidarität und Menschenwürde einsetzten – «mit allem, was sie sind, haben und können».

Bischöfin warb für «radikale Höflichkeit» in Streitgesprächen

Auch Bischöfin Hofmann hatte in ihrer Begrüßung zuvor für eine klare Haltung und den Diskurs mit Andersdenkenden geworben. Sie warnte davor, dass Orte der Meinungsbildung und des Austauschs weniger werden: «Die Blasen verfestigen sich, der Kontakt zu Andersdenkenden wird geringer und die Kunst des Streitens verflüchtigt sich.»

Vor diesem Hintergrund verwies die Bischöfin auf die demokratiestärkende Strategie der «radikalen Höflichkeit» für hitzige Gespräche. Sie fußt auf drei Säulen: Meinungsverschiedenheiten anerkennen, Gemeinsamkeiten suchen und die eigene Haltung deutlich einbringen. Praktische Tipps seien, ruhig zu bleiben, nachzufragen, Gemeinsamkeiten zu entdecken, Widersprüche aufzuzeigen und den eigenen Standpunkt zu begründen. Am biblischen Beispiel machte die Bischöfin deutlich, dass es sich auszahlt, nicht auf der eigenen Sichtweise zu beharren, sondern auch dem Anliegen des Gegenübers seinen Wert zu geben.

Impulse gaben ferner Schüler der Max-Eyth-Schule in Kassel, die von dem Angebot der Demokratie-Mittagspause berichteten, sowie Dr. Stefan Ruppert vom Vorstand von B. Braun, der skizzierte, wie es in einer großen Firma gelingen kann, Demokratie und Vielfalt auch durch Mitbestimmung voranzubringen. Das Melsunger Unternehmen hatte 2024 die Auszeichnung «Gemeinsam gegen Extremismus» erhalten.

Stichwort Homberger Synode

Die Homberger Synode war ein bedeutendes reformatorisches Ereignis, das im Oktober 1526 in Homberg (Efze) stattfand. Erstmals hatten Bürgerinnen und Bürger aktiv Mitsprache in kirchlichen und politischen Angelegenheiten. In der Versammlung diskutierten geistliche und weltliche Vertreter der Landgrafschaft Hessen, ob der protestantische Glaube einzuführen sei. Großer Fürsprecher war Landgraf Philipp I., der Initiator der Versammlung.

Schließlich wurde die Landgrafschaft protestantisch, weil die Mehrheit Philipps Vorhaben unterstützte. Die infolge der Synode ausgearbeitete neue Kirchenordnung trat aber nie in Kraft, da sie dem Reformator Martin Luther als zu tiefgreifend erschien. Die Synode leitete jedoch bedeutende gesellschaftliche Veränderungen ein: Bildungsreformen, soziale Einrichtungen und neue Formen kirchlichen Lebens.

Mehr zum Thema und zum Jubiläumsjahr gibt es im Internet: 

www.synode500.de

Auf der Website zum Jubiläum ‚500 Jahre Reformation in Hessen‘ sind viele Hintergründe, Veranstaltungen und Materialien rund um die Homberger Synode von 1526 und ihre Bedeutung für Kirche und Gesellschaft zu finden. Informieren Sie sich über das Programm, historische Einblicke und aktuelle Impulse für Glauben und Demokratie.