Kassel. Wenn Schauspieler Hannes Jaenicke die Geschichte der Kreuzigung Jesu erzählt, sind die Kasseler Kirchen mittendrin. RTL inszeniert in der Karwoche das TV-Event «Die Passion» in der documenta-Stadt. Ein Bündnis von christlichen Kirchen, Gemeinden und Einrichtungen in Kassel unterstützt die modernen Passionsspiele, die sich an ein Millionenpublikum richten.
Dieses Engagement leben von vielen Freiwilligen, berichtet die evangelische Stadtdekanin Barbara Heinrich. Das Bündnis plant für den 27. März, dem Tag der RTL-Show, ein geistliches Begleitprogramm: Unter anderem wird die Karlskirche von 19 Uhr bis Mitternacht geöffnet sein, damit Menschen sich vom Trubel ausruhen, segnen lassen oder beten können.
Auf dem Friedrichsplatz werden 5.000 kleine weiße Kreuze verteilt, «die an das große Kreuz erinnern sollen, das während der Show durch die Stadt getragen wird», sagt Kerstin Leitschuh, die das Programm für die katholische Kirche koordiniert. Bei der Prozession, die vom Kongress Palais bis zum Friedrichsplatz geht, laufen Seelsorgende mit, die für Gespräche zur Verfügung stehen. Zwei Haltepunkte der Prozession werden musikalisch gestaltet.
In der bis Ostern dauernden Fastenzeit bieten die Kirchen in Kassel zahlreiche Gottesdienste, Andachten und andere Veranstaltungen an, einige wurden extra für «Die Passion» geplant. Neben den traditionellen Buß- und Kreuzwegandachten in den katholischen Gemeinden bietet Leitschuh beispielsweise musikalisch-literarische Mittagsimpulse in einer Einkaufsgalerie an, die vier mit der Passion verbundene Emotionen in den Fokus rücken: «Liebe, Trauer, Angst und Hoffnung».
passion-kassel.de
Alle Informationen rund um das Begleitprogramm der Kirchen zum RTL-TV-Event «Die Passion» im Linktipp.
Pfarrerin Miriam Küllmer-Vogt, die für die evangelische Kirche das Begleitprogramm koordiniert, war 2022 in Essen live dabei, als RTL «Die Passion» zum ersten Mal ins deutsche Fernsehen brachte: «Mir hat die Umsetzung gut gefallen.» Die Szenen und Dialoge seien nah am Originaltext der Bibel gewesen, übertragen in die heutige Zeit und in das Setting einer Stadt im 21. Jahrhundert.
Ihrer Ansicht nach ist die Geschichte von Jesus, besonders die Passionsgeschichte, zeitlos. «Das Menschliche und Zwischenmenschliche daran: Freundschaft, Hoffnung, Enttäuschung, Verrat, Tod und trotzdem weiter glauben, hoffen, lieben - das sind Erfahrungen, die wir Menschen machen. Damals wie heute.»
Die zeitgemäße Aufführung der Ostergeschichte lebt auch von aktuellen Popsongs. Von «Liebe ist alles» von Rosenstolz hat sich das Kasseler Bündnis für seine Kampagne inspirieren lassen. Das Motto des Songs ist auf die Tüten gedruckt, in denen die Kirchen die kleinen weißen Kreuze verschenken. «Das Kreuz, an dem Jesus gestorben ist,
ist zu einem Zeichen der Liebe und der Hoffnung geworden», erklärt Küllmer-Vogt.
Ihre Kollegin Kerstin Leitschuh findet es «grandios, dass die Geschichte von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu auf eine anschlussfähige Art und Weise transportiert wird». Ja, das Event sei eine Fernsehshow und gehöre in den Bereich Unterhaltung, aber es sei eine Chance für die Kirche, «die offenen Arme Jesu konkret werden zu lassen».
Dekanin Heinrich ist voller Freude darüber, «dass die christliche Botschaft so in den Mittelpunkt gestellt wird». Mit den Aktionen rund um das Event gebe es viele Möglichkeiten, von der christlichen Botschaft berührt zu werden und mit den Kirchen in Kontakt zu kommen. Dass die Inszenierung die Leidensgeschichte Jesu wieder neu ins
Bewusstsein bringt, betrachtet auch die kurhessische Bischöfin, Beate Hofmann, als positiv. Aufgabe der Kirche sei, «das geweckte Interesse der Menschen lebendig zu halten».
Die Herkunft des TV-Events «Die Passion»
Das Konzept für das TV-Live-Event «Die Passion - Die größte Geschichte aller Zeiten» hat der Fernsehsender RTL aus den Niederlanden übernommen. Dort gehört «The Passion» bereits seit mehr als 13 Jahren zu den erfolgreichsten TV-Events zu Ostern und erreicht ein Millionenpublikum. Auslöser war eine Umfrage im Jahr 2007, nach der weniger als 30 Prozent der niederländischen Bevölkerung die Ostergeschichte kannten.
Erfinder des Formats ist der Produzent und Regisseur Jacco Doornbos aus Hilversum. Nach drei Jahren Entwicklungszeit feierte «The Passion» am Gründonnerstag 2011 im niederländischen Fernsehen ihre Premiere. Wie Produzent Doornbos sagte, holte die Übertragung aus Gouda eine Million Menschen an die Bildschirme und erreichte einen Marktanteil von 18,9 Prozent. «Seitdem sind die Einschaltquoten jedes Jahr gestiegen», fügte er an. Seit 2015 erreiche die Liveübertragung im niederländischen Fernsehen einen Marktanteil von 40 bis 45 Prozent. Das seien zwischen 2,5 und 3,5 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer.
Aufführungsorte waren neben Gouda unter anderem Rotterdam, Den Haag, Groningen, Amsterdam und Hilversum. Dieses Jahr wird «Die Passion» am 28. März in der niederländischen Gemeinde Zeist (Provinz Utrecht) inszeniert. Produzent Dornboos geht auch dieses Mal von 8.000 bis 10.000 Besucherinnen und Besuchern vor Ort aus. Die Besucherzahlen seien in den vergangenen Jahren konstant gewesen.
RTL zeigte «Die Passion» erstmals an Ostern vor zwei Jahren als Live-Event im Fernsehen. Damals sahen 3,14 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer die Übertragung aus Essen, wie der Sender mitteilte. «Die Passion» ist eine Produktion der Constantin Entertainment GmbH und Mediawater Niederlande im Auftrag von RTL. Produzenten sind Matthias Alberti und Jacco Doornbos.