Ein Jahrtausend! Eine kaum fassbare Zeitspanne. Man müsste wohl mehr als 30-mal die Vorsilbe Ur- anheften, um zu dem Vorfahren zu gelangen, der im Jahr 1025 lebte. Dieser Mensch, von dem wir heute nichts mehr wissen, hätte miterleben können, wie am 13. Juli in Kaufungen die Kirche des Heiligen Kreuzes geweiht wurde, gestiftet von Kaiserin Kunigunde, die am selben Tag in das Kloster Kaufungen eintrat.
Die Kaiserin soll, als sie bei einem Aufenthalt in Kaufungen erkrankte, gelobt haben, bei Genesung dort ein Kloster zu gründen. So begann, vermutlich im Jahr 1017, der Bau von Kloster und Kirche. Das war der Anfang einer wechselvollen Geschichte. Reformation, Auflösung der Klöster, Kriege und Revolutionen – was hat diese Kirche nicht alles erlebt? Ein Jahrtausend ist jedenfalls Grund genug für eine große, vielfältige Feier – und die gibt es in diesem Jahr (siehe Kasten unten).
Die meisten Begegnungen und Ereignisse, die in und um die Kirche geschahen, sind im Nebel der Geschichte verschwunden. Doch wer heute den imposanten Bau im Kaufunger Ortskern betritt, bekommt eine Ahnung davon, nicht in einem beliebigen Gebäude zu stehen. «Dieser Raum hat viel Kraft», beschreibt die Kasseler Kunsthistorikerin Prof. Dr. Martina Sitt die besondere Atmosphäre. Gemeinsam mit einer Gruppe von Studierenden hat sie sich intensiv mit der Stiftskirche befasst.

Die Gruppe der Kunsthochschule war zu Erkundungen in Kaufungen. Dabei hat jeder und jede ein Objekt oder Detail gewählt und darüber einen Text geschrieben. Das Büchlein mit dem «etwas anderen Kirchenrundgang» ist unter anderem in der Kirche erhältlich (Preis: 10 Euro). Die Stiftskirche hätten die meisten Studierenden vorher nicht gekannt, erzählt die Professorin, und viele auch ohnehin wenig Verbindung zur Kirche. Dennoch: «Der Raum tut heute noch etwas mit einem, auch wenn man nicht getauft ist. Dieser Raum atmet.»
Die Wirkung des imposanten Baus mit der markanten roten Decke, dem weiten Blick und den hohen Säulen wird auf jeden und jede anders wirken, aber einen Hauch des Atems von 1.000 Jahren kann man erspüren, wenn man sich ein wenig Zeit nimmt und vielleicht mit dem Kirchenführer herumstreift.
Die Geschichte dieser Kirche, so hat es die langjährige Kaufunger Dekanin Carmen Jelinek beschrieben, sei «voller Eitelkeit, Machtstreben und Geltungsdrang, aber auch voller Frömmigkeit, Sehnsucht und Hoffnung». Das Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde beschreibt Jelinek als «fromme Leute». Eine Kirchen- bzw. Klostergründung sei aber auch willkommenes Instrument gewesen, um von der Nachwelt nicht vergessen zu werden – zumal das Paar keine Kinder hatte.
Dieser Plan ist zweifellos aufgegangen: Die Stiftskirche steht trutzig und stolz im Ortskern Kaufungens. Der Name Kunigunde ist vielleicht nicht so geläufig, aber das soll sich ändern. Der Förderverein, dessen Vorsitzende Jelinek ist, hat eine Bronzeskulptur bei der Künstlerin Karin Bohrmann-Roth in Auftrag gegeben, am 11. Juli wird sie enthüllt. Außerdem bemüht sich Kaufungen um den Titel «Kunigundengemeinde».
Mit der Skultpur wird es noch ein Detail mehr in und an der Kirche geben, dessen Entdeckung sich lohnt. Dazu gehört die rote Holzdecke, die ursprünglich eine Verlegenheitslösung war. Eigentlich sollte die Kirche von einer romanischen Basilika zu einer gotischen Hallenkirche werden. Dazu hätte ein Gewölbe gehört, doch offenbar ging das Geld aus. Die Holzdecke wurde eingezogen, vorübergehend dachte man. Mittlerweile ist sie 600 Jahr alt.
Die Nonne an der Krippe
Besucherinnen und Besucher können eine Grabplatte mit der Abbildung einer Nonne entdecken, die ungewöhnlicherweise aufrecht im Grab steht. Das, so die Interpretation der Studierenden, sei ein Hinweis darauf, dass die abgebildete Äbtissin Agnes von Anhalt als besonders starke Persönlichkeit galt.
Ungewöhnlich ist auch die Wandmalerei einer Krippenszene. Im Stall befinden sich nicht nur die Heilige Familie sowie Ochs und Esel, sondern mittendrin sitzt da eine Nonne (Foto rechts unten). Es gibt ein eher unauffälliges, rundes Fenster («Oculus»), durch das am Todestag des Ordensgründers Benedikt von Nursia frühmorgens die Sonne in die Kirche strahlt.

Foto der Wandmalerei der Krippenszene mit der Nonne
Es gibt zwei Orgeln, einen neuen Altar, ein Kreuz des Bildhauers Hermann Pohl, das «Kaufunger Kreuz» (Foto unten links) hoch an einer Säule, einen gotischen Taufstein, Wandmalereien der Heiligen Elisabeth und die Geschichte eines verschwundenen Vorhangs, der die Wandmalereien einst ergänzte ... man weiß gar nicht, wo man anfangen und aufhören soll.
Es sei erwähnt, dass an manchen Details auch andere Interpretationen möglich sind. Und es gibt etliches, was wir nicht wissen – vielleicht nie wissen werden. Die Kaufunger Pfarrerin Dr. Christina Bickel sagt: «Vieles in dieser Kirche ist rätselhaft.» Aber wer würde es einem tausendjährigen Geburtstagskind auch übel nehmen, wenn es ein paar Geheimnisse für sich behalten will?

Die Stifterin des Klosters Kaufungen: Kaiserin Kunigunde
Das Jubiläum

Zur Erinnerung an die Weihe der Kaufunger Stiftskirche am 13. Juli 1025 gibt es jeweils am 13. eines Monats Veranstaltungen, aber auch an weiteren Daten. Höhepunkt ist das Festwochenende vom 11. bis 13. Juli. Am 11. Juli wird ab 17 Uhr mit Worten und Musik an die Stifterin Kunigunde erinnert und die Skulptur von ihr enthüllt. Der Festgottesdienst wird am Sonntag, 13. Juli, mit Dekanin Anja Fülling, Posaunenchor, Kantorei und weiteren Mitwirkenden gefeiert. Bereits am 5./6. Juli gibt es ein Mittelalterfest. Die Kirche ist meist von Freitag bis Sonntag zugänglich, Führungen sonntags ab 15 Uhr, Näheres auf der Homepage der Gemeinde:
www.ev-kirche-oberkaufungen.de

«Alles hat seine Zeit» als E-Paper
Mit Höflichkeit, Freundlichkeit und Respekt möchte ZDF-Star Horst Lichter seine Zeit füllen. Das sagte er im großen Interview mit dem aktuellen blick in die kirche-Magazin. Das Titelthema «Alles hat seine Zeit» greift ein Bibelwort aus dem Alten Testament auf – und ist dennoch hochaktuell, wie die Beiträge im Heft zeigen: Wann ist die richtige Zeit für Ehe und Kinder? Wie nutzt man die Zeit im Alter am besten? Wie prägen Jahreszeiten und Wetter den Zeitplan in der Landwirtschaft? Und welches Verhältnis zu Minuten und Sekunden hat Weltklasseläuferin Dr. Laura Hottenrott?
Diese und viele andere Fragen greift das Magazin auf. Leserinnen und Leser erfahren außerdem, was es mit dem «Stunden-Nachschlag» auf sich hat, wo mehr als 30 Turmuhrwerke ticken – und an welcher Kirche gleich sechs Sonnenuhren angebracht sind. Vorgestellt wird auch die imposante Kaufunger Stiftskirche, die genau 1.000 Jahre alt ist. Zudem gibt es ein Wiedersehen mit der Kinderbuchheldin Momo und ihrem Kampf gegen die Zeitdiebe – sowie einen vertiefenden Blick in die Bibel.
Das blick in die kirche-Magazin erscheint vierteljährlich in einer Auflage von 225.000 Exemplaren als Beilage der regionalen Tageszeitungen in Kurhessen-Waldeck. Es bietet Interviews, Reportagen, geistliche Impulse sowie Lebenshilfe und Ratgeberthemen – ergänzt durch ein beliebtes Preisrätsel.