Susanne Jakubczyk und Dr. Rüdiger Jungbluth mit dem frischen Logo, auf dem sich vier transparente Wände erkennen lassen, in deren Mitte ein neuer Raum eröffnet wird.

Vieles ist in Bewegung beim Forum: Susanne Jakubczyk und Dr. Rüdiger Jungbluth mit dem frischen Logo, auf dem sich vier transparente Wände erkennen lassen, in deren Mitte ein neuer Raum eröffnet wird.

Kassel / Olaf Dellit
Veröffentlicht 11 Sep 2024

An der Wand des Raumes, in dem Susanne Jakubczyk und Dr. Rüdiger Jungbluth die Neuausrichtung des Evangelischen Forums Kassel erläutern, steht ein riesiger Schrank. Fläschchen, Tiegel und Keramiktöpfe mit lateinischer Aufschrift – und ganz viele Schubladen hat das Möbelstück, das jahrzehntelang Kasseler Diakonissen als Apotheke gedient hat. Heute ist es vor allem Dekoration.

Und das passt auch zur Präsentation, die Pfarrer Jungbluth an die Leinwand wirft, denn das Evangelische Forum will nicht mehr in alte Schubladen einsortiert werden. Transformationale Führung, fluide Formen von Kirchen, Irritation als Treibstoff des Wandels, New Work, Walking Meeting – viele Vokabeln bringt Jungbluth in seinen Plänen unter. Klar wird ganz schnell: Da ist etwas in Bewegung.

Detail des Möbelstücks in den Räumen des Forums, das jahrzehntelang Kasseler Diakonissen als Apotheke gedient hat.

Detail des Möbelstücks in den Räumen des Forums, das jahrzehntelang Kasseler Diakonissen als Apotheke gedient hat.

www.ev-forum.de

Mit verschiedenen Formaten will das Evangelische Forum Kassel besondere Orte und Themen aus unterschiedlichen Perspektiven zusammenbringen. Dabei sollen Kooperationen helfen, immer wieder «neue Räume» zu erschließen. Nähre Infos und das Programm unter www.ev-forum.de

Diese Bewegung ist ein Stück weit erzwungen, denn beim Evangelischen Forum Kassel muss – wie in vielen Bereichen der Kirche – gespart werden. Eine Pfarrstelle statt eineinhalb, ein Viertel weniger Geld im Gesamthaushalt, das waren die Vorgaben. Hinzu kam die schwierige Situation am Lutherplatz, wo das Forum lange seine Räume hatte. Seit Jahren gibt es dort Probleme mit der Drogenszene, sodass auch die Diakoniestation ihren Standort verlagert hat. Aber die Räume wären für das Forum ohnehin zu groß gewesen.

So machten sich Jungbluth und Jakubczyk auf die Suche nach Alternativen und wurden im Kurhessischen Diakonissenhaus in der Goethestraße fündig. Auch die altehrwürdige Stiftung ist im Umbruch und hat Räume, die sie nicht selbst benötigt. Nun hat das Forum dort ein kleines Büro bezogen: zwei (gemietete) Schreibtische für drei Personen. Ja, das geht, denn Jacubzyk und Jungbluth teilen sich einen Tisch, Sekretärin Sabine Düring nutzt den anderen. Homeoffice macht’s möglich. Das funktioniere gut, wenn man sich abspreche, sagt Jungbluth. 

Überhaupt wollen der Pfarrer und die Pädagogin viel im Stadtraum unterwegs sein. Das gilt besonders für die Veranstaltungen, die das Forum anbietet. Dafür gibt es keinen festen Raum mehr, sondern unterschiedliche Orte mit unterschiedlichen Partnern. Wie kann man die Theologie an die Lebenswirklichkeit andocken, hat Jungbluth sich gefragt. Antworten will er nun in einem Reisebüro (spirituelle Dimension von Souvenirs), im Technikmuseum (Was macht den Menschen aus?) und in der Tanzschule (Politik im Hip-Hop) finden. Jakubczyk wird eine Schreibwerkstatt in der Neuen Galerie in Kassel anbieten, die sich mit der Kunstrichtung «Informel» beschäftigt.  

Ausgewählte Veranstaltungen:

  • 29.9.: Gottesdienst zum Tag der Engel
  • 8.10.: «Rassismus ohne Rassen» – Die Ziele der «Neuen Rechten» und ihre Anknüpfungspunkte an den Nationalsozialismus
  • 22.10.: Das Laubhüttenfest SUkkot und die Sukka
  • 20.11.: 15-Minuten-Gottesdienst zum Buß- und Betttag
  • 21.11.: Bezahlkarte für Geflüchtete – sinnvoll oder absurd?
  • 24.11.: Shelter Sounds – Jazzsuite zum Totensonntag
  • 5.12.: Nahostkonflikt und deutsche Debatten mit Prof. Meron Mendel
  • 26.1.25: Holocaust-Gedenkkonzert

Ein Themenschwerpunkt wird Einsamkeit, erläutert Jakubczyk. Unter anderem soll in einer Veranstaltung im «Uni-Lokal» in der Fußgängerzone nach stadtplanerischen Aspekten dieses Themas gefragt werden. Auch um Einsamkeit in der Literatur sowie diakonische Fragen wird es gehen. Ein anderes Projekt wird Jazzmusik und den Totensonntag zusammenbringen.

Versuchskultur und Fehlerfreundlichkeit sind auch Stichworte, die Rüdiger Jungbluth nennt. Konkret kann das heißen, dass sich ein Veranstaltungsort auch mal als nicht optimal herausstellt. So gab es eine Podiumsdiskussion in einem Saal, dessen Akustik nicht passte, es hallte zu sehr. Dann wird es beim nächsten Mal eben ein anderer Raum.

In Bewegung ist also vieles beim Evangelischen Forum, nicht zuletzt Jakubczyk und Jungbluth, wenn sie lange Runden zu Fuß durch die Goetheanlage drehen – auf Neudeutsch heißt das «Walking Meeting» – und dabei kreativ sind und Ideen entwickeln. Neu ist auch, dass es statt eines Jahresprogramms jetzt ein Leporello pro Halbjahr gibt, der in Ständern in der Stadt zu haben ist. Eine neue Homepage und ein Newsletter gehören zur Neuausrichtung. Ebenso wie das frische Logo, auf dem sich vier transparente Wände erkennen lassen, in deren Mitte ein neuer Raum eröffnet wird.

Dr. Rüdiger Jungbluth ist es wichtig, zu betonen, dass das Forum Kirche ist, wenn auch «ohne Kreuz auf dem Dach». Durch die Themen und die Haltung werde jährlich 3.000 bis 5.000 Menschen das Evangelium vermittelt. Das ist und bleibe die Aufgabe. Und die ist viele älter als der Schrank mit den vielen Schubladen.