«Wir unterstützen die zivilgesellschaftlichen und demokratischen Kräfte in der Region und weltweit bei ihren Bemühungen, sich für einen gerechten Frieden für alle Menschen in Israel und Palästina und im Libanon einzusetzen», schreiben die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) und der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in dem gemeinsamen Statement.
Darin legen Hofmann und Jung den Blick auch auf die Zunahme von Gewalt und Judenhass in Deutschland. Dem Schüren von Hass gegenüber jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern dürfe kein Raum gegeben werden. Ebenso litten christliche und muslimische Palästinenserinnen und Palästinenser in den verschiedenen Regionen im Nahen Osten unter dem Krieg im Gaza-Streifen. Auch die Zunahme von Islam- und Muslimfeindlichkeit gefährde das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland.
Die gesamte Situation sei für viele zur Zerreißprobe geworden: «in Israel, Palästina, im Libanon, bei uns, weltweit», resümieren Bischöfin und Kirchenpräsident. Sie sorgen sich zudem um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland angesichts eines Klimas von Unterstellungen und Verdächtigungen. Ihnen ist daran gelegen, die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit zahlreichen jüdischen, christlich-orientalischen wie orthodoxen und muslimischen Menschen sowie ihren Gemeinden und Einrichtungen fortzusetzen. Jung und Hofmann werben für einen differenzierten Blickwinkel und dafür, einander zuzuhören: «Lasst uns weiter beten für einen gerechten Frieden im Heiligen Land und in der ganzen Region.»
Fürbitten und Gebete
Das Zentrum Oekumene der EKKW und EKHN hat Fürbitten und Gebete zum Jahrestag am 7. Oktober zusammengestellt und stellt diese zum Download bereit.
Die gemeinsame Stellungnahme von Kirchenpräsident Jung und Bischöfin Hofmann im Wortlaut:
Der 7. Oktober 2023 und die Folgen – ein Jahr danach
Der bestialische Überfall der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel war grauenhaft. Es ist der schlimmste Angriff auf Jüdinnen und Juden seit der Schoah. 1139 Menschen wurden ermordet, mehr als 5400 verletzt, 240 Menschen mit israelischer Staatsangehörigkeit und Staatsangehörigkeiten aus aller Welt wurden verschleppt. Wir stehen fest an der Seite Israels. Nichts ist seitdem mehr wie zuvor. Die Angehörigen leiden und sind verzweifelt oder hoffen noch immer auf die Freilassung der verbliebenen Geiseln in Gaza. In dem dicht besiedelten Gebiet tobt ein Krieg, dessen Ursache der Terror der Hamas ist. Der gesamte Nahe Osten ist von einer Spirale der Gewalt erfasst.
In der Folge haben Gewalt und Judenhass zugenommen, auch in Deutschland. Antisemitismus ist in Teilen von Kirche und Gesellschaft ungebrochen vorhanden: Dem Schüren von Hass gegenüber jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern darf kein Raum gegeben werden. Das alles verurteilen wir und stellen uns gegen diejenigen, die den Terror und die Agitation besonders in den Sozialen Medien gutheißen. Wir nehmen nicht hin, dass sich Jüdinnen und Juden in Deutschland nicht mehr sicher fühlen.
Ebenso leiden christliche und muslimische Palästinenserinnen und Palästinenser in den verschiedenen Regionen im Nahen Osten unter dem nicht enden wollenden Krieg im Gaza-Streifen, der schon viel zu viele Menschenleben gefordert hat und weiter fordert. Wir sind auch darüber besorgt, dass in Teilen unserer Gesellschaft eine Zunahme von Islam- und Muslimfeindlichkeit zu spüren ist, die das gesellschaftliche Zusammenleben in unserem Land gefährdet. Dem stellen wir uns ebenso entschieden entgegen.
Die gesamte Situation ist für viele zur Zerreißprobe geworden: in Israel und Palästina, im Libanon, bei uns, weltweit. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Ergebnisse der guten Arbeit für Versöhnung, Dialog und Verständigung im Heiligen Land, in Israel und Palästina ebenso wie in Deutschland zunichtegemacht werden. Wir sind von unserem Glauben her überzeugt: Die politische Engführung auf militärische Lösungskonzepte kann überwunden werden. Wir unterstützen die zivilgesellschaftlichen und demokratischen Kräfte in der Region und weltweit bei ihren Bemühungen, sich für einen gerechten Frieden für alle Menschen in Israel und Palästina und im Libanon einzusetzen. Wir möchten selbst das Leiden, die Nöte und die Sorgen aller Menschen im Nahen Osten im Blick behalten, seien sie jüdisch, christlich, muslimisch oder drusisch.
Wir sind ebenso besorgt um den gesellschaftlichen Zusammenhalt bei uns in Deutschland. Zu schnell gibt es bei uns schrille Töne, die gesetzt werden, um zu übertönen, auszugrenzen, Empathie und Verbundenheit mit allen Menschen vor Ort in Frage zu stellen. Oftmals ist der Anspruch an uns Kirchen, sich klar und eindeutig zu positionieren. Die damit verbundene Kluft der Polarisierung scheint schwer zu überwinden. Es gibt ein Klima der Unterstellungen und Verdächtigungen, aber auch gute Ansätze, «trotzdem gemeinsam zu sprechen».
Wir möchten daher die vertrauensvolle Zusammenarbeit unserer Kirchen mit zahlreichen jüdischen, christlich-orientalischen wie orthodoxen und muslimischen Menschen und ihren Gemeinden und Einrichtungen bei uns fortsetzen.
Wir sind überzeugt: Ein differenzierter Blickwinkel ist nötig. Gerade jetzt ist es wichtig, einander zuzuhören, den Schmerz, die Wut sowie die Trauer der anderen wahrzunehmen und Räume des Gesprächs und vor allem des Gebets zu eröffnen. Lasst uns weiter beten für einen gerechten Frieden im Heiligen Land und in der ganzen Region.